Geschäftsführerhaftung

In den meisten Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristischen Person kommen Ansprüche gegen die Organe in Betracht. Besonders der GmbH-Geschäftsführer steht dabei immer wieder im Mittelpunkt. Die Annahme, bei einer GmbH hafte man nicht mit dem Privatvermögen, stellt sich für den Geschäftsführer in der Insolvenz „seiner“ Gesellschaft oft als Trugschluss heraus. Die größte Relevanz haben dabei Ansprüche aus § 15b InsO sowie § 43 GmbHG.

 

Haftung aus § 15b InsO (Insolvenzverschleppung):


Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern einen Eröffnungsantrag zu stellen. Der Antrag ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen (§ 15a Abs. 1 S. 1 InsO).

Ein Verstoß gegen diese Pflicht hat nicht nur strafrechtliche Folgen. Denn gemäß § 15b Abs. 1 S. 1 InsO dürfen nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung der juristischen Person keine Zahlungen mehr für diese vorgenommen werden. Ausgenommen sind lediglich Zahlungen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind (§ 15b Abs. 1 S. 2 InsO). Unter diese Ausnahmeregelung fallen jedoch nur sehr wenige Zahlungen, z. B. die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung.

Werden Zahlungen entgegen § 15b Abs. 1 InsO geleistet, sind die Antragspflichtigen – mithin die Geschäftsführer einer GmbH – zur Erstattung verpflichtet (§ 15b Abs 4 InsO). In jedem Insolvenzverfahren wird dieser Haftungsanspruch vom Insolvenzverwalter geprüft und in den allermeisten Fällen sind Ansprüche gegeben. Dies ist auch nicht verwunderlich. Eine Zahlungsunfähigkeit liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bereits bei einer Deckungslücke von mehr als 10 % vor, die innerhalb von drei Wochen nicht geschlossen werden kann. Nicht selten stellt sich daher im eröffneten Insolvenzverfahren heraus, dass Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung bereits seit mehreren Monaten vorgelegen haben. Wurde der Geschäftsbetrieb trotz Insolvenzreife noch fortgeführt, können nahezu sämtliche der geleisteten Zahlungen vom Haftungsanspruch aus § 15b Abs. 4 InsO erfasst sein. Dass dies innerhalb von kurzer Zeit zu erheblichen Summen führen kann, ist nachvollziehbar. Der Zeitpunkt des Eintritts der Insolvenzreife spielt im Zusammenhang mit Haftungsansprüchen aus § 15b InsO daher eine erhebliche, wenn nicht die größte Rolle.


Haftung aus § 43 Abs. 2 GmbHG:


Eine weitere, für den GmbH-Geschäftsführer sehr relevante Haftungsvorschrift ist der § 43 GmbHG. Die Geschäftsführer haben in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden (§ 43 Abs. 1 GmbHG). Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten verletzen, haften der Gesellschaft solidarisch für den entstandenen Schaden (§ 43 Abs. 2 GmbHG).

Schadensersatzansprüche aus § 43 Abs. 2 GmbHG setzen zwar kein eröffnetes Insolvenzverfahren heraus. Nicht selten stellen sich derartige Ansprüche jedoch erst während des Insolvenzverfahrens heraus. Dies hängt auch damit zusammen, dass Geschäftsführer und Gesellschafter oftmals identisch sind und somit durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erstmals ein Dritter (der Verwalter) Kenntnis von den maßgeblichen Sachverhalten erlangt.


Ein Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten kann zum Beispiel in folgenden Fällen vorliegen:

  • Eingehen von risikobehafteten Vertragsbeziehungen
  • Verzicht auf die Stellung von Sicherheiten durch Vertragspartner
  • Fehlerhafte Angebotskalkulation oder unzureichende Rentabilitätsprüfung
  • Unterlassene Bonitätsprüfung von Vertragspartnern
  • Nichtumsetzung oder verspätete Umsetzung eines Gesellschafterbeschlusses
  • Nichtbeantragung von Fördermitteln
  • Nichtdurchsetzung realisierbarer Forderungen/unterlassene Abwehr unberechtigter Ansprüche

Die Verletzung von Sorgfaltspflichten ist dabei stets einzelfallbezogen. Daher kann nahezu jede Entscheidung des Geschäftsführers potentiell „gefährlich“ sein.

Liegt eine Sorgfaltspflichtverletzung des Geschäftsführers i.S.v. § 43 Abs. 1 GmbHG vor, ist zu prüfen, ob ein Verschulden vorliegt, wobei ein fahrlässiges Handeln des Geschäftsführers ausreicht. Zudem muss ein Schaden eingetreten und die Pflichtverletzung kausal für diesen Schaden sein. So kann es zum Beispiel an einem Schaden fehlen, wenn ein Produkt (weit) unter Wert verkauft wurde, ein anderer Käufer jedoch nicht vorhanden war und der Nichtverkauf nur Kosten verursacht hätte.


Zusammenfassung:


Insgesamt können bei Ansprüchen aus § 15b InsO und § 43 GmbHG an verschiedenen Stellen der Prüfungskette Probleme auftreten. Sowohl bei der Verfolgung als auch der Abwehr von Schadensersatzansprüchen lohnt sich daher regelmäßig die (frühzeitige) Einschaltung einer spezialisierten Kanzlei.